Angelika Zöllner: Die
Stimme aus der Stille
Die zurückhaltende Schriftstellerin mag keinen
Rummel. Zurzeit entsteht ein Roman.
von Valeska von Dolega
Wuppertal. Die A 46 ist frisch prämiert. Nicht
etwa, weil sie wegen der permanenten Staus einen Spitzenplatz
bei den Verkehrsmeldungen einnimmt, sondern weil Angelika Zöllner
ihre Geschichte, die Begebenheiten um einen türkischen Lastwagenfahrer
aus Wuppertal thematisiert, beim Literaturpodium eingereicht
hat und den ersten Preis abräumte. „Da war ich selbst
ganz überrascht“, sagt die Schriftstellerin und staunt.
Autorin Angelika Zöllner lebt seit 30
Jahren in Wuppertal. (Foto: Andreas Fischer, Westdeutsche Zeitung)
Die geschriebene Sprache ist ihr Medium. Bereits
mit neun Jahren textete Zöllner ein Romanfragment. „Die Bösen
bekamen Namen von Leuten, die ich nicht mochte“, erinnert
sich die fünffache Mutter, die 1948 in Rheingau geboren
wurde und seit 1980 in Wuppertal lebt. Denn Zöllner war
damals ein schüchternes Mädchen: „Schreiben war
immer besser als reden zu müssen.“ In dieser
literarischen Welt aber findet sie die richtigen Worte.
Allerdings blieben ihr
bei Familie und Job zunächst kaum
Zeit, so kreativ zu sein, wie sie es gerne gewesen wäre: „Also
schrieb ich immer nur so ein bisschen nebenbei.“ Der Tod
ihres Großvaters inspirierte sie dazu, diesen Verlust in
einem Gedicht zu thematisieren. „Das schickte ich an die
Zeitung "Sprachgitter".“ Nichts passierte,
ein Jahr später wurde ihr Gedicht gedruckt und gab den Impuls: „Jetzt
machst du das ernsthaft.“
Wie leben Menschen miteinander, wie sind Strukturen und
Bindungen? Das sind die sie bewegenden Motive: „Ich wollte nie nur
oberflächlich dichten. "Der Tannenbaum glänzt"
ist mir zu wenig. Das Reizvolle ist, in die Tiefe zu gehen.“ Und
so handeln ihre Geschichten von den Dingen des Lebens,
von der Auseinandersetzung mit christlichen Tugenden und
immer
wieder
sozialen Aspekten wie der Gleichberechtigung unterschiedlicher
Menschen.
Zurzeit arbeitet die studierte Sozialarbeiterin an einem
Roman. „Wenn
das Gras schweigt“ – so lautet der Arbeitstitel.
Ein Germanistikstudent schafft seinen Abschluss, aber weil sich
seine Freundin einem Kunstprofessor an den Hals wirft, überdenkt
er sein Leben neu und reist. „Unter anderem nach Rhodos,
da kenne ich mich gut aus“, sagt Zöllner.
Verschiedene Stipendien führten die erfolgreiche Schriftstellerin
auf die griechische Insel. Reisen inspirieren Zöllner, auf
die Idee mit dem türkischen LKW-Fahrer in „A46“ kam
sie nach den Osterferien, die sie in die Türkei geführt
hatten: „Dort traf ich einen deutsch-persischen Verkäufer.“
Was ihm Dramatisches passierte – der Schwager wurde in
Tübingen erschossen –, ist die Basis ihrer Erzählung. „Jammern
können wir jeder für uns alleine, deshalb schwingt
in meinen Geschichten auch immer Hoffnung mit“, beschreibt
sie einen wesentlichen Aspekt ihrer Arbeit.
Am besten kann sie
sich in absoluter Stille konzentrieren. „Am
liebsten arbeite ich morgens, wenn ich alleine bin“, verrät
Zöllner. Rummel mag das einst so schüchterne Mädchen,
aus dem eine vielseitig interessierte, aber doch überaus
zurückhaltende Frau geworden ist, noch immer nicht. Die
besten Worte findet sie in der Stille. Selbst über eine
lärmende Autobahn.
Angelika Zöllner
Die Schriftstellerin wurde 1948 in Wiesbaden geboren. Aufgewachsen
ist sie im Rheingau. Später zog sie nach Frankfurt und besuchte
dort die Freie Waldorfschule. Nach dem Abitur und einem Praktikum
bei einer „Stadtranderholung“ entschloss sie sich,
Sozialarbeiterin zu werden.
Quelle: Westdeutsche Zeitung, 11.7.2010
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