Mit Blindenhund durchs Liebesland

Leseprobe:

 

Ricardo Riedlinger:

Mondstunde

Bei uns war in jener Stunde
ein Mond - so weiß und nackt
und schön wie Du.
Er malte Deine Haut transparent
und fein durchwirkt mit blauen Adern,
wie Flüsse aus dem All gesehen.
Wir ließen sie über die Ufer sturmfluten
und manche Dämme waren dem Bersten nah.
Und bei uns blieb in jener Stunde
ein Mond - so weiß und nackt
und schön wie Du.

 

 

Slov ant Gali

alltagsliebe

dichter bist du
geblieben so
wie du bei mir
geblieben bist
warum nur
bin ich
mich dir
tag um tag
entblätternd
dich küssend
keine muse mehr
die du zurück
küsst
die anderen frauen
sagen männer
seien so
aber
die ihren sind ja
keine dichter

 

 

Slov ant Gali

Reptil

Drachen bin ich,
Drachen
aus verloren gegangener Zeit.
Immer ein Kopf säuft Wasser,
ein andrer Feuer speit.
Wird ein Haupt abgeschlagen,
wachsen zwei neue wieder nach.
So strecke ich die Hälse
und bleibe zaudernd stehen,
an Seen,
tausendfach.
Welch Kopf du auch mir strichest,
grad der war meist verkehrt
mal hast du meine Flammen,
mal ich dein Nass entbehrt.
Ach, bade dich doch endlich
voll Lust
in meinem Blut,
aber bitte blattfrei nackt;
für dich
wird es dann gut.

 

 

Ricardo Riedlinger

Drachenhaut zweifach

Zu dünn schien meine Haut,
zu transparent zu sein.
Mit jedem Pulsschlag diese Angst,
sie könnte mir zerreißen.
Ich tötete den Drachen meiner Seele,
schlug ihm die Köpfe einzeln ab,
mich in dem warmen, zähen Blut
ganzkörperlich zu baden.
Kein Lindenblatt fiel irgendwohin
und kein Verrat in nächster Nähe.
Also entstieg ich zweihäutig,
der äußeren Versuchung und inneren Begehr,
dem Herzbruch widerstehend.
Welch Trug, welch Narr war ich mir,
vergaß ich doch, dass alle Sinne noch
nur eingeschlossen in ein Panzerbett
mir sensibel blieben.
So reichte nur ein Blick in Deine Augen
und wie verwittertes Gestein fiel spröde meine Drachenhaut,
durchsiebt zuvor mit Pfeil auf Pfeil,
der mir durch Dein Lächeln entgegen flog.
Du musst die Medusa der Neuzeit sein
und bringst mich zurück dahin,
wo ich schon oft gewesen bin
und meine Haut scheint wieder dünn
und transparent zu sein.

 

 

Volker Brauer

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Wo ist der Mensch,
In dessen Haut ich
Meine Sehnsucht tauche,
In dessen Blick die
Meere zueinander sinken,
Sich Sterne an der Nacht betrinken?
Du sollst
Ein lächelndes Bewegen,
Ein heller Atem
Unter gelben Wipfeln sein.