Preisbeitrag des Literaturwettbewerbs
"Lustige Geschichten und Gedichte"

 

1. Preis (Auszug)

Monika Jarju


Mein Taxi ist gelber als deins


Mein Taxi ist schön und gelb. Es ist stark wie ein afrikanischer Löwe, ein echter Gaynde sagen die Wolof. Es frisst Diesel, säuft Wasser und Öl. Es schnurrt brav und sanft, wenn ich die Kupplung durchtrete. Mit gestählten Muskeln setzt es zum Sprung und schießt wie ein Blitz durchs holprige Gelände. Ich throne auf dem breiten Sitz wie Little Stuart im roten Spielmobil und steuere es mutig am Elektrizitätswerk vorbei, halte auf die mageren Kuhherden zu. Ich fahre mitten hindurch, ehrfurchtsvoll treten sie zur Seite und muhen - der König kommt, hallo! Aus der Herde tritt ein Wachposten hervor, er kommt direkt auf mich zu. „Den Führerschein!“, blafft er durchs offene Fenster mit boshafter Miene. „Der liegt zuhause“, erwidere ich forsch. Ich habe überhaupt keinen. Er strahlt mich an, das ist seine Chance bei der Toubab, der Weißen. Er streckt mir die offene Handfläche vor die Nase. Ich kenne die Geste, schiebe einen geknüllten Grünen in die gierigen Klauen und gebe Gas, lenke den Wagen sicher über den schmalen Sandweg, vorbei an Mangobäumen bis zu meinem Haus.
Da könnt ihr alle mal sehen, wie stark wir sind, mein schönes gelbes Auto und ich. Es wird mich reich machen, sehr reich wie die Afrikaner sagen. Schließlich kommt es aus den Niederen Landen und hat schon bessere Zeiten und Wege gesehen. Und kommt nicht von dort sowieso aller Reichtum? Pah, ich werde nicht mehr arbeiten! Mein Löwe macht das mit links und vier Reifen. Ich sehe es schon von morgens bis abends über die einzige Landesstraße flitzen - Bamboo-Bakao, Bakao-Bamboo. Steigt ein, Leute, schnell! Der Dalasi rollt. Mein Fahrer sammelt das Geld von der Straße auf. An den Kreuzungen stehen die Leute und wollen mit, mit, mit. Abends kullert es nach Hause und schüttelt die Mähne voller Geldstücke aus.

Wie ich das Taxifahren in Afrika liebe! Es ist ein kommunikativer Sport, stärkt Lachmuskeln, macht Freunde und Feinde, verbindet Nationen. Täglich bietet es neue Geschichten und übertrifft locker die bunten Nachrichten auf den flachen Monitoren deutscher U-Bahnen. Es ist wie ein rollender Markt, alles und jeden trifft man dort an. Man grüßt und palavert, scherzt und handelt, verhandelt, teilt Müdigkeit und geröstete Erdnüsse, stöhnt gemeinsam über Hitze und Staub, klebt aneinander, flirtet wohlig vertraut und singt begeistert und laut den neuesten Hit mit. Einmal flocht eine Frau meine Haare, ich stieg aus wie Rapunzel, so golden bezopft - wir winkten uns lange herzzerreißend nach.
Sammeltaxis und Minibusse, die Buschtaxis heißen, fahren zwischen größeren Orten auf einer festen Route hin und her. Stets sind sie überfüllt. Die Straßenränder säumen wartende Leute und winken dem Fahrer zu, und er hält an. An den Sammelplätzen stehen junge Männer und rufen die Richtungen in den Wind: „Brikama, Brikama, Brikama! Banjul, Banjul, Banjul!“, schreien sie unentwegt und treiben die Fahrgäste wie Herden zusammen.
Wie sieht so ein Taxi aus? Verbeult, verwittert und bunt. Die Türen haben Stricke, zieht man mit Schwung, öffnet sich die Tür. Die Fenster sind immer geöffnet, längst haben die Kurbeln ihr kurzes Leben ausgehaucht. Aus den Polstersitzen quellen eifrig die Innenleben hervor, spitze scharfe Metallteile ragen einem beim Einsteigen entgegen wie die Zähne eines hungrigen Krokodils. Am schönsten kann man die Fahrtroute über die löchrigen Böden der Wagen verfolgen. Ist das Taxi voll, geht die Fahrt los. Schon dreht der Fahrer die Lautstärke des Kassettenspielers voll auf, Reggae oder der letzte Song von Youssou N`Dour beschallen die Palmen am Wegesrand, die Kinder tanzen mit. Ein junger Mann sammelt das Fahrgeld ein. Sein Arm baumelt in einer Schlaufe am Dach, geschmeidig wie eine Schlange hangelt er sich durch den Wagen, halb hängt er draußen, halb drinnen. Wer aussteigen will, schreit: „Fahrer, halt an!“ Der Aussteigende drängelt sich über Körper, Körbe und Taschen zur Tür vor, die nächsten zwängen sich rein. Jeder duckt sich so klein wie nur möglich auf seinem Sitz. Wer den hintersten Platz abbekommt, zieht den Kopf zwischen die Schultern. Beim nächsten Schlagloch hüpfen alle gemeinsam an die Decke. Will der hinterste Fahrgast aussteigen, krabbeln alle unverzagt vor ihm aus den Wagen.

[...]

Die weiteren Preistexte finden sich im Buch wieder.