Die
Gewinnergedichte des "Lyrikwettbewerbes 2014"
6. Preis
Norbert Rheindorf
Ein Loch in der Zeit
Die zähen Minuten
gleichen
einem Loch
in der Zeit
hier hält man
fast den Atem an
wartet
auf Diagnosen
während das Leben
auf des Messers Schneide
nach Gleichgewicht sucht
Hände ringen
mit unsichtbaren Feinden
Blicke gehen ins Leere
und bleiben dort
beim Aufruf des Namens
verweigert
der Verstand
den Ohren fast
die Annahme der Nachricht
im besten Fall
bleibt danach
nur ein Loch in der Zeit
zurück
7. Preis
michael starcke
schule des lebens
manchmal hab ich
ein gebet gesprochen,
die schulaufgabe des tages
ignoriert.
im fach geschichte
bin ich immer noch
dabei. die besten lehrer
sind die großmütter
und visionäre
von der letzten bank.
schmal ist die tür
geblieben
in die welt:
erfahrung hagelt es,
schönheit, stille
und herbst.
gefordert werden
zeugniss-
zensuren,
anerkennend
verschwiegen
mit keinem wort.
es wäre schön,
mit jedem abschluss
auch das ende zu verlieren.
8. Preis
Anke Ames
Variation: für Bass solo
Einer Zeichnung Tag
wird sein
Wunde, Schmuck und Mahl.
Mal der Sonne, Kuss,
verbrannter Biss ins Haar,
ins weiße, ins schwarze, ins rabenschwarze
Haar der Wildpferde.
Und küss mich,
bevor du gehst, küss mich,
dass wir die Luft waschen und sie
wird duften nach
Jasmin.
In unseren Gärten
leckt die Sonne des Flieders
Zunge, der Baum, einer,
der Baum ist für dich und
die Sonne zeichnet mich,
der Baum, der Bass.
Wird sein
Haar der Wildpferde. Und küss mich,
bevor du gehst, küss mich,
ich hüte die Düfte,
ich hüte die Düfte für dich.
Geschmack des Apfels, den Wind,
der mir Melodien eingibt.
Rosen und Wald. Jasmin. Sauerstoff.
Und das Bogenhaar,
Haar der Wildpferde.
Ich hüte die Spuren deiner Hände
auf meinem Körper.
Ich hüte Klee und Stimme für dich.
Wenn du singst!
9. Preis
Dirk Werner
Vor dem Verschwinden
Wie immer gehst du hinein.
Und drehst dich einmal. Spaziert
ein Mensch für sich hier allein,
ist es gut. - Ungeniert
fingerst du manches heraus,
wendest es vorsichtig. Beug
dich, riech, zieh Stirne kraus,
sei stumm vor erhabenem Zeug.
Sieh an, dieses matte Weiß,
hier ist es. Anders dort - so.
Gehe noch einmal im Kreis.
Viel Fach aus Holz, hell, roh,
umgibt dich schweigend. Heran
rückt es, ist höflich fern.
Du hast am Ort nie was getan
als sein und: sehn. Auf dem Stern
der Geschichten. Gewisper, Geschrei
von vorherigen, von euch. Vom Bald.
Rücken und Rücken in Reih,
Verwandte geben sich Halt.
Ist hier noch einer, der liest?
Es knackt. Licht aus. Der Mann,
Buchhändler, heute schließt
kommt nur noch morgen. Bis dann.
10. Platz
Christian Pradel
Wenn die Zeiger an den Uhren
Pausenlos ums Zentrum kreisen
Wenn wir warten auf den Fluren
In den Hallen, an den Gleisen
Wenn die Zeit heilt viele Wunden
Manches Ding verläuft im Sande
Gehn die Wochen, Tage, Stunden
Und Minuten in die Lande
Dann wird uns allmählich dämmern
Zeit ist stofflich nicht, nicht zinnern
Das, was wir Erleben nennen
Ist doch einzig das Erinnern
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