Die
Gewinnergedichte des Lyrikwettbewerbes 2010
1. Preis
Günther Bach
Palmsonntag
Palmsonntag -
das kleine Dorf
in der Sierra Nevada
leuchtet in strahlendem Weiß,
fast schmerzt es das Auge.
Der Sonnenschutz
vor der kleinen Bodega
wirft streifige Schatten
auf Tisch und Bank.
Kühl ist der Wein
im irdenen Krug.
Der Himmel
ü
ber den kahlen Bergen,
ein stählernes Blau,
ist ohne Wolken.
Im Feigenbaum
schrillt eine Grille.
Welch eine Stille.
Welch eine Reinheit.
Zeit der Siesta
im kleinen Dorf
in der Sierra Nevada.
2. Preis
Anke Ames
Tanz Bach!
Rot
die Linie
Sprache des Rads
Tanz die
Salamander, Feuer
Steine flüstern
Musik der Jahrhunderte
hüten die Hand,
den Arm
Kreis.
Tanz!
Ein Vogel besuchte uns
pfiff, tiriliert
tak- tak- tak
singt die Nachtigall
chinesisch,
Wir knien vor dir und dir
und dem oder das
Staunen des Morgens
dir zur Ehre:
Gras, Regen, das
Gesicht gegenüber
und im Fluss
dein Mund
Wasser
trieb Äste an- der Stepp
Tak- tak- tak
Unsichtbar war der Vogel
belauschte- heimlich-
den Gruß des Cellos.
Tanz Bach!
Es kam Feuer auf
und du gegen mich
Es verknotete uns,
wir haben uns ineinander
verfangen hingen am Seil
du und ich
stürze ich, stürzt du
wir träumten anders,
wir waren wild, nicht wussten wir
war es die Liebe
oder die Notwendigkeit
stürze ich, stürzt du
Maria,
Mutter Gottes,
Ave-
Hatte er es in die Noten geflochten,
ja, natürlich,
nur darum, nur darum
ging es überhaupt
Ursprung und Ziel.
Aber dieses war
und das ist jetzt:
Ein heiterer Schritt führt
ü
ber Leichen,
die tanzen und kreisen,
den Boden küssen,
es ist leicht und Tanz,
getanzt heiter, die
Freude, die Freude
so wunderbar leicht
Tanz Bach,
Königin auf deinem Thron
Tanz elegant
riskant,
unschlagbar!
Ein Ball.
Tänze.
Orgel.
Der Vogel flog davon,
nahm das tak tak mit sich
für die Welt, in die Welt-
Tanz, tanz
Bach!
Für Benedetta Reuter
3. Preis
Manfred Burba
An meiner Hand
Du bist an meiner Hand gegangen,
hast freudig zu mir aufgeschaut
und mit erwartungsvollen Augen
mir deine Kindheit anvertraut.
Ich nahm sie auf in meine Obhut
und pflegte sie mit Zärtlichkeit;
sie fühlte sich bei mir geborgen,
behütet und in Sicherheit.
Das gab dir Zuversicht und Stärke
und half dir, in der Welt bestehn,
sie zu begreifen und zu lieben
und deinen eignen Weg zu gehn.
Die Zeit der Kindheit ist vorüber,
jetzt gehe ich an deiner Hand,
doch deine großen, blauen Augen
sind mir noch immer zugewandt.
4. Preis
Helmut Glatz
Wenige nur noch ...
Dichter sind sie und Seher,
Sänger und Rätsellöser,
Wanderer zwischen hier und dort
und an Orten,
gemieden von der Geometrie.
Weit hinausgelehnt
ü
ber den Rand ihres Daseins,
lauschen sie dem Gesang der Sterne.
Sie betrachten den Vogelflug,
das lautlose Gleiten der Fische,
die silbernen Blitze
in den Augen der Libellen.
Ihre Blicke sind dunkel
wie das Herz der Kristalle.
Mit ihren Händen
heilen sie die Wunden derer,
die sie verfolgen.
Auf endloser Flucht,
den Mythen verschrieben,
tragen sie das Wissen
verborgen in tönernen Krügen.
Dichter sind sie und Seher,
wenige nur noch,
Wächter am Ufer
der zerfallenden Zeit.
5. Preis
Martin Hartjen
Der Herbst in meiner Seele
Der Herbst in meiner Seele,
das ist die Scheide-Zeit,
wenn das, was ich erzähle,
nach Sommern klingt, die weit
mein Leben überspannten
wie ein Nie-mehr-Vergehn.
Wir waren jung und rannten
und ließen uns geschehn
und hatten all die Stunden,
die unvergänglich sind,
und fühlten uns verbunden
mit Sonne, Meer und Wind
und warn so sehr am Leben,
dass wir unsterblich warn.
Ich würd den Winter geben,
es noch mal zu erfahrn.
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