Die Gewinnergedichte des "Lyrikwettbewerbes 2007"


1. Preis

Axel Görlach

Kavárna Slavia Dauerregen

wie der hradschin verwischt dort
ins grau verhangene
alle stadtmarken weggespült

die moldau ein milchiges
ungefähres verschwommen
die scheide wo fluss was land

aus der gischt schält sich lautlos
ein straßenbahnrumpf
gleitet vorbei verschwindet

in der sprühnebelwand
wie der fliegende holländer

fahle konturen der wassergänger
schirme schuhe
in auflösung begriffen

gehen dir unter die haut
sich kräuselnde zweifel
am sein der dinge vorm fenster

und bestürzung als dir unterm haar
ein tropfen rinnt hinters ohr
und fällt

auf deine rettende insel den tisch

2. Platz

Hanna Fleiss

Brot, weißes, warmes Brot

Brot. Auf den Tisch gelegt
der Laib. Der Kruste Wohlgeruch.
Brot, weißes Brot.

Wie es war.
Erntezeit. Das Dorf in der Mark.
Spuren des Traktors. Damals ging ich
Den Feldweg, roch den betäubenden Duft
Des Korns. Wir banden die Garben,
Flochten Kränze, wirkten Herzen hinein.
Abends brannten die Feuer nahe
Der Linde. Wir sangen
Die Lieder der Bauern, brachen
Ihr Brot mit schwieligen Händen.

Am Stammtisch die Alten derweil
Raunten von Regen und Hagelstürmen
Rinderpest und Gutsherrenzeiten.
Einer spielte Harmonika, wir tanzten
Den Reigen, bis in die Mitternacht
Bis uns die Hunde verbellten.

Brot, weißes, warmes Brot.
Der Kruste Wohlgeruch. Brot.
Auf den Tisch gelegt der Laib.

Hanna Fleiss

Wüstgefallen

Steine. Behauene Steine
Getürmt zu Mauern. Verstreut übers Feld
Findlinge. Falb, geschichtenreich.

Grundrisse, rührendes Menschenmaß.
Der gemauerte Brunnen. Wasser, Leben.
Archäologenglück.

Der Anger. Diese Stille.
Sand und Gras.

Und hier: der Markt. Stimmen, Ausrufer
Ü berschlagend, der Scheffel, die Elle
Leinengewirk, Rosenkränze, Pferde, Schweine
Gemecker von Ziegen. - Da! Trompetenruf!
Der Feind, der Feind vor den Toren! - Ach

Die Sinne. Das gaukelt und schaukelt. Niemand
Trägt einen Korb unterm Arm, niemand
Fegt diese Steine noch, nirgendein Schall
Der Trompete. Die da gingen
Singen das Kyrieleison im Himmel.

Sonnenwarm die Mauer am Nachmittag.
Wenig ists, was geblieben.
Die Steine. Gebeine, verschollen.
Verschollene Wege, verschollener Klang
Der Armesünderglocke. Bald auch
Verschollen mein eigener Schritt. Vom Wald
Herüber ein Elsterruf.

3. Preis

Kurt May

Empfehlung

Poeten, lasst das Schwärmen von den Zielen
Der klugen Menschheit, lobt nicht jeden Mist,
Den sie auf Erden häuft. Sprecht von den Schwielen
Der Schuftenden und wie es wirklich ist

Im Staat und in den Köpfen, auf der Erde.
Und schreibt, was machbar ist. Was soll uns Traum?
Reimt auf Vergangenheit, was uns noch werde
In dieser Welt. Und dichtet mir vom Baum

Ein Wehgedicht, nicht wie er Lust beschattet,
Schreibt auf, wie Not und Leid den Mensch ermattet.
Erhebt nicht jeden Pup zum Jubelton.

Lobt mir nicht Schwachköpfe und Obrigkeiten,
Die Volk und Zeit nur Übelkeit bereiten.
Sagt was vom Vater und sehr viel vom Sohn.

4.Platz

Ernestine Kühnl

Diplomatie

Lamm gegrillt
zwanzig Sprachen
acht Religionen
Vertrauen
ist aus protokollarischen Gründen
undenkbar
zwei Statuen
gehen durch die Glastüre
sagen Guten Tag
Protest wird laut
und mich
mich fragst du gar nicht?
Ausländische Beobachter
brodeln weiter in der Gerüchteküche
das jüngste Gericht
ist die Affäre im Palast
der Einfluss der Atomtechnologie
ist mit der Religion
kaum zu stoppen
niemand wird sich hier
an den eigenen Haaren
aus dem Suppentopf ziehen können
Alle finden das Fest toll
Menschen und Fabeltiere tanzen
war wir nicht sehen wollen
wird zum Mekka
und ist
erneut im Umlauf

5. Platz

Agnes Plaschy Schnyder

Lautloses Gespräch

Eine Welle
wogt übers Meer
trägt die Gedanken
zum anderen Ufer

Ein Ohr
erwacht und lauscht
fügt der Botschaft
die Sterne hinzu

Am Horizont
tagt Licht
strömt Wärme
im Atem des Morgens

Auf dem Weg
zwischen hier und dort
ebben die Zweifel
fluten die Träume

 


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