Die Gewinnergedichte des "Lyrikwettbewerbes 2007"


6. Preis

Margitta Lambert

sie
wildes Kind
wilde Frau
dunkles Funkeln
in Raubtieraugen
ihr Kleid
aus Fell
sie stapft
sie schleicht
macht Flugversuche
und sie zwitschert
die Liebende

ihr Strahlenkranz
witterte zu schüttrem Holz
ihre Giftpfeile
blutleer

um sie
der Glanz
der neuen Einbauküche

7. Platz

Hans-Peter Seeling

Novembermorgen am Neckar

Rauchige Nebelschwaden
Ziehen schwebend
Flussabwärts
Nagen an der Oberfläche
Des mächtigen Flusses
Versuchen tänzelnd in
Die Tiefe einzutauchen

Die Alte Brücke
Klotzig schwerfällig
Deren Rundbögen
Den Strom zerteilen
Kaum sichtbar
Im Frühnebeldunst

Aus den Quadern
Ihrer Sandsteinbögen
Löst sich tummelnd
Leuchtend durchdringendes
Titanweißgefieder

Ein Schwanenpärchen
Musikalisch rhythmisch
Auf der wiegenden
Strömung des Neckars
Zum morgendlichen
Wallkürenritt

8. Platz

Karl-Otto Kaminski

Geräusche und Lärm

Wenn der Wind rauscht in den Föhren,
wenn die Hirsche brünstig röhren,
oder Fensterscheiben zittern
unter Donner von Gewittern,

Hähne krähen,
Schafe mähen,
Bienen summen,
Bären brummen,

wenn die Herbstorkane sausen,
oder ohrbetäubend brausen,
Wellen klatschen,
schmatzen, platschen,

Äste altersschwächlich knacken,
Fliegen gegen Scheiben klacken,
Frösche quarren,
Dielen knarren,

wenn die Raben heiser krächzen,
Esel unter Lasten ächzen,
Vögel piepen,
Mäuslein fiepen,

was dann in die Ohren dringt,
ist Geräusch, naturbedingt.
Lärm dagegen macht im Grunde
nur der Mensch - und seine Hunde.

9.Platz

Erich Adler

Meine Tochter zieht aus

Eben noch in Windeln verpackt
in den roten Laufstall
gesetzt

Nun:
Sie ist alt genug zum Wohnen in einer andren Stadt
auch für das was die Menschen
schon immer
machen wenn sie
ausziehen
die Erziehung in einen
Teppich einrollen
für einen ungesicherten Schritt
ins Neuland

Nass
zwei Tränen hinter lautlosen Gläsern
als dich dein Freund an die Hand nimmt
oder was von dir noch frei ist
im Haltegriff letzter Erinnerungsstücke
die Treppenstufen hinunter
bis die Wagentür
zuschlägt
die aufleuchtenden Rücklichter signalisieren:
Der Ich-bin-für dich-da
auf dem Sozius

Winkend nehme ich
Abschied von dem gedrückten Beutel
den man auch wohl
Herz nennt dem
Geräusch einer Hupe
mittlerer
Kategorie.

10.Platz

Ahmet Terli

Du und ich, mein Kind

In der Türkei
geboren bin ich
in der Wärme des Südens.

Du, in der Kälte
des Nordens
In Deutschland.

Ich wuchs auf
ohne spielzeug
auf der Straße.

Du, im Wohlstand
mit buntem Fernsehen.

Früher feierte ich
keine Geburtstage,
angefangen habe ich
damit, dir zu Liebe.

An der Türkei hänge ich
immer noch
mit ihren Gedichten
und Liedern.

Du hast dich
in die Fremde verliebt
mit gemischten Gefühlen.

Du hast hier
Deutschland gefunden,
ich habe dort
die Türkei verloren.

Hier bin ich Ausländer
Du, Ausländer-Kind,
Dort bin ich Deutschländer
Du, Deutschländer-Kind.