Die Gewinnergedichte des Lyrikwettbewerbes
"Träume und Taten"



6. Preis

Martin Hartjen

Abend am Meer

Der Tag begibt sich auf die Reise
und segelt weit ins Meer hinaus
und all sein Rauschen wird nun leise
und wir, wir tauschen Blicke aus

und wissen um die Stunde, wann
der Tag auf seine Reise geht
und spürn an seinem Grunde dann
wie es tief um uns selber steht

und lassen, was des Tages ist,
auch gerne hinaus mit ihm ziehn
und halten nach des Tages Frist
in uns, was mehr als Rauschen schien,

und lauschen, was im Herzen strandet,
und werfen tief ins Herz das Lot
und fern am Horizont, da brandet
dann sonnenschwer das Abendrot.


7. Preis

Susanne Kristen

El Dorado

Sie haben El Dorado gefunden
Gold bestückt
Und in vielen Stunden
Denke ich nur an Dich

Und ich kann es spüren
Hier an diesem Tisch, Weit weg
Seh Dich Ringe in den Kaffee rühren

Wir lasen
Charles Bukowski
Naß noch lag ich neben Dir
Du siehst mich gerne denken

Sagst Du und bläst die Lichter aus
Und ich ziehe tiefer in dein Haus
Finde Gold in allen Ecken
Die den Staub verdecken

Und ich kann es spüren
Hier an diesem Tisch, Weit weg
Seh ich Dich langsam gehen

Ich höre
Sie haben Rasputin gefunden
Gold verkleidet seine Wunden
Und in vielen Stunden
Denke ich nur an Dich


8. Preis

Robby von der Espe

Sommerliebe

Diesen Morgen hatte ich wieder kein Spiegelbild,
du fehlst mir wie das Salz in der Suppe,
die mintenen Küsse
und das Waschbärenwasser im Flur.
Die Birken drängen ihr Grün,
es wird Mai, die Hexen stoben wieder höher.
Der alte Mann an der Ampel
trägt immernoch
seine Vergangenheit im Tabakbeutel.
Siebenundsiebzig Jahre sucht er sie jetzt,
die Karten zum Glück.
Wodka und Gulaschsuppe ziehen durch die Stadt,
dort,
wo Heißmangel auf einem Werbeschild steht,
dort, wo alles begann.
Frühling war doch nie,
als die Nachtfeuer
den Eishimmel rosa färbten,
vielleicht die eine laue Nacht darum.
Lydja hieß sie,
geboren hinterm Ural,
da lag auch er einst mit den Kameraden.
Doch zum Schluss
waren es nur Bilder und Zeilen
an seine verehrte Mutter,
die geblieben sind.
Vergilbtes Papier
auf dem Dachboden der Angst
bei den augenlosen Kuscheltieren.
Warum will es dieses Jahr nur kein Sommer werden,
so einer,
bei dem du immer in die durchsichtigen
Morgenkleider schlüpfst
und im warmen See die Klassiker liest,
das Schreien des Kuckucks
hört man über die Felder,
ob er wohl auch lieben kann.
Mähdrescher schlagen den Weizen gen Himmel,
der Ring in deinem Bauchnabel
ist meine Schuld,
ich weiß,
und dein geflochtener Zopf
geht mir längst bis zu den Schuhen,
ach
wäre da nicht,
nur nicht der verbrannte Mohn.


9. Preis

Manfred Burba

Mein Garten

Vor meinem Haus, da liegt ein Garten,
den habe ich so manches Jahr
gehegt, gepflegt und gut behütet,
weil er mir wert und teuer war.

Nun bin ich alt, die Kräfte schwinden,
der Garten grünt und blüht nicht mehr.
Er ist mir längst zur Last geworden,
denn seine Pflege fällt mir schwer.

Vorbei sind all die schönen Jahre
und mich erwarten Tod und Grab.
Bald wird sich niemand mehr erinnern,
dass es ihn wirklich einmal gab.


10.Preis

Arnold Kirchner

Splitter für Splitter

Kriegserinnerungen auf dem Operationstisch

Dies sind ein paar Gedanken-Splitter
zu einem, der aus Eisen war
und seit dem letzten „Stahlgewitter“
bei mir im Bein als Inventar.

Millionen Jahre lag als Erz er friedlich in der Erde.
Dann kamen Menschen, brachten ihn ans Tageslicht,
damit durch Arbeit und durch Feuer Eisen aus ihm werde ---
was daraus weiter werden sollte, wussten sie noch nicht.

Vielleicht ein Pflugschar oder eine Nähmaschine.
Vielleicht auch Rohr für Wasser oder Gas.
Gut wär‘ auch Spielzeug, das den Kindern diene,
für sie zum Lernen und zu Vaters Spaß.

Vielleicht ein Orden, um die Brust zu schmücken,
für treue Dienste oder gute Taten ----
Doch wie‘s so ist mit des Geschickes Tücken:
Zu jener Zeit bestand Bedarf mehr an Granaten.

Vor ein paar Wochen klickte er in eine Schale,
die eine Schwester dem Chirurgen hielt.
Es war ganz still in dem sterilen Saale.
Ich dachte an den Russen, der das Ding auf mich gezielt:
Es war bei Charkow, dreiundvierzig, im August.
Ich war knapp zwanzig und noch voller Ideale.
Vom Tod hab‘ ich viel mehr als von der Liebe schon gewusst.
Sich gegenseitig umzubringen war das ganz Normale.

Ich lag allein in meinem Erdloch am MG.
Er sprang da drüben plötzlich hinter eine Hecke.
Ich kombinierte: Dieser Iwan ist VB *);
lass ich ihn leben, knallt es bald in meiner Ecke.

Ich schoss mit Leuchtspur zu ihm rüber und war ziemlich sicher:
Bald robbt ein Sani oder Leichenträger zu ihm hin.
Das machte stolz, denn als ein ordentlicher
Soldat sah ich darin des Schießens Sinn.

Das liegt nun weit zurück. Fast 60 Jahre!
Ich hatte ihn wohl doch nicht gut getroffen.
Denn gleich darauf lag ICH auf einer Bahre....
und konnte nur schnell wegzukommen hoffen.

Von den in mich gespickten Stückchen Eisen
blieb eins mir treu, ganz dicht am Knie.
Doch kürzlich ging das Ding in Richtung Fuß auf Reisen
und wurde Fall der Chirurgie.

Jetzt steht der Splitter - fest in Harz gegossen -
auf meinem Schreibtisch als Beschwerer für die Post.
Ich hätte gern mit jenem Iwan ihn begossen.
Ich mit „Nastarowje!“ -- Er mit „Prrrost!“

Wir würden unsre Enkel miteinander Fußball spielen lassen.
Es würden Freudentränen bei uns fließen,
weil diese Jungens lachen anstatt sich zu hassen
und mit dem Ball anstatt mit Eisen durch die Gegend schießen.

*) Für Ungediente: VB = Vorgeschobener Beobachter,
der den Kanonen sagt, wo sie hinschießen sollen.