Die
Gewinnergedichte des Gedichtwettbewerbes "Zukunft, Gegenwart
und Geschichte"
6. Preis
Heinrich Beindorf
Versuchung
Wenn ich dieses Glas jetzt
auch noch kippe
fall‘n mir wieder Strophen ein
kenne mich doch.
Vielleicht über dieses Wolkenband
hinter Polikastron
Dampfloks unter der Zechenbrücke
meine Tante Louise
Skat mit Barrón oder
Chefs und Wasserfälle
das Hotel Winston in
Fairbanks/Alaska
wie diese Deborah mit
meinem Pass verschwand
über irgendeinen Irrsinn eben
der keinem was bedeutet
zu weit weg ist
nirgendwo hinführt
von dem mich jetzt mal wieder
nur dieses Glas trennt
also los -
runter damit.
7. Preis
Hanna Fleiss
Eislüfte
im winter kommt mein geliebter
mit schuppenfellen behangen
und er weiß nicht, wie oft ich
der schwarzen Wasser fluche
er lacht und streichelt
gilbende gräser und astdünne finger
rupfen vom Beerenstrauch
das letzte Blatt
im winter jage ich eisfische
unter den treibenden Schollen
schlafende frösche und
spinnige garnelen
gehörig den wassern ist mein geliebter
ein schellfisch in meinem fangnetz
gefrorenenes denkmal im königreiche
des sardonischen lächlers
8. Platz
Kurt May
Heutige Landschaft
Was ist die Landschaft? Eine Kalbsroulade.
Welch zartes Fleisch! Die Soße würzig braun.
Ein Semmelkloß, ein Ständchen der Zikade.
Der Magen giert, die Hungeraugen schaun.
Schon langen zu die Hände und die Zähne.
Das schlichte Speisen wird zur Völlerei.
Und ständig speien Autos, Bahnen, Kähne
In Haufen Gäste von April bis Mai.
Und alle fressen, trinken, und sie loben
Die Küche, das Kompott, das Tafeltuch.
Und nach dem Essen, Koten, Lachen, Toben
In allen Sälen. Und das Gästebuch
Steht leer. Nicht einen Namen wird man lesen.
Wer zahlen soll, ist hier nicht Gast gewesen.
9. Preis
Thomas Steiner
letzter besuch
außen ist das haus
von büschen, wildwuchs,
sanft gestreichelt,
die fenster mit tüchern
bespannt, aus mürbem gewebe,
darunter disteln, sand und
schlamm und
als linie meine spuren. von
drinnen
pfeifen fieber-
träume ins ohr, die sterne stieben
im wind.
10. Preis
Nicola Quaß
abkehr
in meinen rücken drückt
dein lächeln
zögerlich in
ungekämmter landschaft
schatten aus müden träumen
gebrochen
streunen verwegen
zwischen zypressen und
eingeschneiten worten
man hat
deine gedanken in lumpen
gewickelt und
auf einen roten
faden gehängt
es wäre gut noch einmal
darüber nachzudenken bevor
du dich von mir entfernst mit
einem winken
schon nicht mehr für mich bestimmt und
einem gesättigten blick
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