Barthelmesauracher
atmet den „Duft der Wüste“
Zwei Gedichte von Karl-Gustav Hirschmann wurden
in Lyrikband aufgenommen — Naturphänomen als Metapher
zu verstehen
ROBERT UNTERBURGER
Zwei Gedichte von Karl-Gustav Hirschmann aus Barthelmesaurach
wurden für die Anthologie „Vom Duft der Wüste“ ausgewählt.
LANDKREIS ROTH – Duftet eine Wüste? 65 Autoren aus
Deutschland, Österreich und der Schweiz haben sich aufgemacht,
die Wüste in lyrischen Spuren zu erkunden. Entstanden ist
der Lyrikband „Vom Duft der Wüste“, der einen
reichen Überblick über das aktuelle Schaffen deutschsprachiger
Lyriker bietet. Der „Duft der Wüste“ muss als
Metapher verstanden werden, denn nur die wenigsten Gedichte gehen
implizit auf das Naturphänomen Wüste ein. Aus dem Landkreis
Roth ist ein Lyriker mit zwei Gedichten in den Sammelband aufgenommen
worden: Karl-Gustav Hirschmann aus Barthelmesaurach ist „8.00
Uhr“ und „Im Bistro“ vertreten.
In seinem Gedicht „8.00 Uhr“ lässt der hauptberufliche
Grundschullehrer Hirschmann den Leser teilhaben an einem alltäglichen
Unterrichtsbeginn in seiner Schulklasse. In Form eines inneren
Monologs stellt er sich Fragen wie: „Wie schaff’ ich
diesen Tag? Bin ich vorbereitet, aber wo ist die Motivation bei
mir – bei euch, erkenn’ ich sie? Werde ich sie finden?“ Lehrer
Hirschmann legt auf Rituale im Unterricht großen Wert:
Alle Schüler stehen auf, Begrüßung, gemeinsames
Lied oder Gebet. Zwischen diesen Ritualen denkt er über
sich und sein Verhalten gegenüber den Schülerinnen
und Schülern nach: „Hab’ ich euch zu arg dressiert?
Wo sind eure Freiräume `nein’ zu sagen geblieben?
Vielleicht sollte ich euch mehr Freiräume geben?“ Zwischen
all den Gedanken, die ihm durch den Kopf gehen, macht er sich
Gedanken über seine Rolle als Lehrer: „Ich bin verunsichert.
Bin ich verunsichert? Ich weiß nicht. Ich sollte euch mehr
Freiräume geben.“ Sein Blick schweift über die
Köpfe, sammelt Augenkontakte, zählt sie heimlich. Am
Ende des gemeinsamen Liedes mit den Kindern stellt Lehrer Hirschmann
zufrieden fest: „Wie gut, dass es Rituale gibt!“ Im
zweiten Gedicht „Bistro“ – ein Reimgedicht – macht
sich der Autor Gedanken über die immer weiter auseinanderklaffende
Schere zwischen arm und reich in unserem Land. Am Beispiel eines
Bettlers, der gegenüber einem Bistro am Straßenrand
sitzt und von den vorbeilaufenden Menschen ignoriert wird, denkt
der Autor über die Gleichgültigkeit der Leute nach: „ihr
fragt nur nach dem Wetter / ob Sonne für euch scheint /
ihr rennt einfach nur vorüber / Dow Jones und DAX im Sinn
/ meint ihr seid einfach klüger / habt Euros nur im Hirn!“ Der
Bettler ist körperlich behindert, sein Blick ist gesenkt,
er ist sterbenskrank: „wer wird die Hände halten /
wenn er sich neigt ins Gras?“ Doch niemand kümmert
sich um den schwerkranken Verlierer der Gesellschaft, es schlägt
ihm nur Verachtung entgegen. Der unausgesprochene Hilfeschrei
des Bettlers verhallt ungehört.
Karl-Gustav Hirschmann hat zwei nachdenkliche Gedichte verfasst,
die unter die Haut gehen. Er schreibt in starken Bildern und
bringt den appellativen Charakter der beiden Gedichte mit eindringlichen
Formulierungen auf den Punkt.
Vom Duft der Wüste. Gedichte. Dorante Edition. Engelsdorfer
Verlag, 2013, 284 Seiten, ISBN: 978-3 -95488-137-6, 16 Euro)
Schwabacher Tagblatt 20.2.2013 und Roth-Hilpoltsteiner-Volkszeitung
18.02.2013
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